Nummer 22 der „Blätter für Öffentliches Recht“ zum downloaden
Der zwanzigste Jahrestag des Friedensabkommens von Dayton hat den öffentlichen Fokus auf die politischen Gelegenheitsreden, die Symposien und Konferenzen, Runden Tische und Workshops von den NGOs gelenkt. Gemeinsam ist ihnen die Erinnerung an die Friedenssicherungsfunktion des Abkommens, die Bedingungen seiner Unterzeichnung und die Unterzeichner. Politische Versammlungen haben Optimismus verbreitet und neue Reformen angekündigt, die den Staat mit neuen Schulden in einen stabilen Zustand der Demokratie führen sollten. Der Staat sollte, kurz gesagt, in einem unbestimmten Zeitpunkt der fernen Zukunft mit der EU kompatibel werden. Die Fachtagungen verausgabten sich mit Beschreibungen der allgemeinen Schwächen des Dayton-Modells, sowohl im rechtlichen als auch im wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Sinn und betonten die Notwendigkeit, das gesamte Modell zu reformieren. Ein Sonderweg zeigt sich in der serbisch-serbischen-Betrachtung, die unter den "Botschaften an die Welt" nach "zwei Jahrzehnten des Friedens" Ideologien über die Wiederherstellung des ursprünglichen Daytons versteht. Damit sollen die staatlichen Zuständigkeiten aus dem Geltungsbereich des Art. III/5 der Verfassung von BuH suspendiert werden. Der NGO-Sektor hat vor allem die abgenutzten Positionen der bosnisch-herzegowinischen Ethno-Demokratie recycelt.
Was von alledem geblieben ist: Das gleiche System mit einer Herrschaft im Namen des Volkes, die die Armut multipliziert und die politischen Spannungen am Rande des Chaos und Krieges aufrecht erhält. Ergänzt wird es durch den Optimismus des Hohen Repräsentanten, der Diplomaten und EU-Vertreter, einem Optimismus der außerhalb der Grenzen des schwarzen Humors die Urteilskraft jedes Menschen unterschätzt. Dieses System rechnet mit einer Demokratie ohne Demos und einer Herrschaft im Namen des Ethnos. Miroslav Lajčak hat es beispielsweise in weniger als drei Jahren seines Mandats geschafft, alle positiven Reformen seiner Vorgänger zu blockieren und die Polizeireform zu zerstören. Obwohl er das "serbische Interesse" als Maßstab für die Blockade der Annährung von BuH an die EU-Integrationen hergestellt hat, teilte er mit, dass es "keine Alternative zur EU-Mitgliedschaft von BuH gibt" und dass jedes Abkommen in Form von "zwei gegen einen nicht gut ist"! BuH ist in Aufführungen dieser Art ein Ethno-Staat, der sich definitiv von der bürgerlichen Gesellschaft verabschiedet hat. Die gewissen institutionellen Verbindungen zwischen bosnisch-herzegowinischen Institutionen und der Zivilgesellschaft sind nur noch in Reaktionen des NGO-Sektors erhalten geblieben. Und dieser ist zu einem besonderen Wirtschaftszweig mutiert, der in der Produktion von Sitzungen, Beratungen, Monitoring und Workshops nur teilweise sichtbar ist. Dahinter steht ein entwickeltes Finanzierungssystem, das zu einem wesentlichen Teil ermöglicht, das Provisorium, von dem man lebt, aufrecht zu erhalten.
Zur Palette der Maßnahmen, die das Provisorium der institutionellen und politischen Ordnung erhalten, gehört auch als letzter Aspekt der europäischen Vernunft, auf welche die lokalen Politiker schwören, die Reformagenda der EU. Dabei umgeht die Reformagenda das Verfassungssystem, kalkuliert mit einer Verfassung, die Menschenrechte verletzt und in dieser Hinsicht den bestehenden (ungerechten) Zustand aufrecht erhält. Schon in diesem Punkt muss Zweifel an ihrem Reformpotenzial aufkommen, aber auch an der von der EU befürworteten Methode: Lösung ausgewählter sozialer und wirtschaftlicher Fragen unbeschadet des Systems, das die sozialwirtschaftlichen Probleme produziert. Die "Reparatur" der Elemente ohne die "Reparatur" des gesamten Systems wird nicht erfolgreich sein.
Die Bindung der Interessen der politischen Klasse zum bestehenden Verfassungsmodell ist zu stark. Der Reformprozess, den die EU als eine Korrektur innerhalb des Systems des ruinierten Landes entwickelt hat, beruht auf der Freiwilligkeit der politischen Klasse, die von BuH eine gespaltene Gesellschaft und ein perspektivloses Land gemacht hat. Die Reformagenda und das Brüsseler-Protokoll dokumentieren die Bereitschaft, aus Angst vor dem Scheitern in den "Reformprozessen auf dem Weg zur EU", der politischen Klasse Gesetzesänderungen zu ermöglichen, die das bestehende Modell stärken und Änderungen verhindern, die den Durchbruch neuer Politik gewährleisten würden. Es zeichnet sich ab, würde ich schließlich prognostizieren, ein neues Scheitern der internationalen Gemeinschaft und der Reformen, die das staatsrechtliche System nicht reformieren werden. Zwanzig Jahre Dayton sind zwanzig Jahre Reformen ohne wesentliche Reformen des Verfassungssystems.