Nummer 3 der „Blätter für Öffentliches Recht“ zum downloaden

Das Eingangsthema dieser Ausgabe gibt den Überblick über die Fälle wieder, die die Länder der Region vor dem EGMR in Strasbourg geführt haben. Monika Mijić (BuH), Aida Grgić (Kroatien) und Vladan Joksimović (Serbien) stellen eine Bilanz der Jurisdiktion des EGMR an bezogen auf drei postjugoslawische Staaten seit im Zeitraum von ihrer Aufnahme als Mitgliedschaft in den Europarat bis heute dar. Diese zeigt, dass die analysierten Staaten, wenn sie auch ihre rechtlichen Wurzeln im selben Rechtskreis und annähernd gleiche Indexe hinsichtlich der Anzahl der Entscheidungen pro Bevölkerungsanzahl haben, spezifisch ausgeprägte Konstellationen bezüglich der Verletzung der Konventionsgrundrechte verzeichnen.

Der zweite Themenblock ist dem aktuellen Verfassungsrecht von BuH gewidmet. Hier werden, aufbauend auf den Ergebnissen der vorigen Ausgabe, die möglichen Modelle für die verfassungsrechtliche Gestaltung des Staatspräsidiums von BuH gemäß der Anforderungen der EGMR-Entscheidung Sejdić-Finci detaillierter dargestellt und bearbeitet. Der Autor ist Mirza Korajlić und seine Analyse eröffnet gleichermaßen die Einsicht in die Wahlprinzipien und in verschiedene Optionen des Wahlrechtes, sowie in die Berechnungstechniken der sog. ethnischen Quoten. In die verfassungsrechtliche Thematik wird auch die Analyse der globalen Einflusses der Wirtschaftskrise und der Verfassungsmodellierung des bosnisch-herzegowinischen Territoriums aufgenommen. Boris Tihi zeigt eindeutig, dass der entitätsgebundene Aufbau in BuH den wirtschaftlichen und so auch sozialen Aufschwung verhindert. Dieser, und das ist ein ernüchterndes Ergebnis, positioniert BuH im Hinblick auf die Arbeitslosigkeit oder hinsichtlich der Wirtschaftsstruktur und der Import-Export-Relation weit hinter den anderen Transitionsländern.

Die öffentlichen Anschaffungen sind auch in dieser Ausgabe der Gegenstand der Analyse. Rifat Zlomužžica vergleicht die Systeme des Rechtsschutzes der Länder der Region und zeigt die verschiedenen Mechanismen des Rechtsschutzes im Bereich der öffentlichen Anschaffungen auf. Er hebt aber hervor, dass alle betrachteten Gesetzeslösungen dem Bereich des Verwaltungsrechtes zuzuordnen sind.

Staatshilfe bzw. staatliche Subventionen sind der Analysegegenstand von Davor Vuletić. BuH hat es nicht geschafft, entgegengesetzt den Erwartungen der EU, das Gesetz zur Staatshilfe mit einzubringen. Die größte Hürde war und ist die Annahme der Politiker der RS- Region, dass BuH keine Zuständigkeit für die Regulierung dieses Bereiches habe. Der Autor geht ausführlich auf das EU-Subventionsrecht ein und weist anschließend auf praxisbezogene Aspekte inkl. Kontrollmechanismen hin. Er beschäftigt sich vor allem auch mit den Anforderungen aus dem EU-Stabilisierungsabkommen hinsichtlich der Staatshilfe und analysiert Modelle, die die letzten vier Jahre in BuH protegiert wurden. Das Fazit wird aus den verschiedenen völkerrechtlichen Verpflichtungen von BuH erarbeitet, so dass der Autor im Ergebnis für den Erlass eines Staathilfegesetzes aufgrund von Art. 3.1.b des Annexes 4 (Verf. BuH), der in einem einzigartigen wirtschaftlichen Raum BuH alle Aspekte der Staatshilfe regulieren würde, plädiert.

Es folgt ein Überblick über die bilateralen Verträge, die zwischen BuH und den Nachbarländern vereinbart wurden. Sabine Willenberg summiert die seit der Unabhängigkeitserklärung durch BuH und die Nachbarstaaten vereinbarten Verträge und klärt die Nachbarschaftsbeziehungen sowohl auf zwischenstaatlicher, als auch auf nationaler Ebene auf. Darüber hinaus analysiert sie vergleichend die drei Beziehungspaare der vier Staaten, welche Abkommen in welchen Zeiträumen und in welchen Bereichen abgeschlossen wurden und wie der Ratifizierungsprozess verlief.

Als logische Ergänzung des vertragsrechtlichen Rahmens, veröffentlichen die Blätter eine Analyse der Außenpolitik von BuH: Aus ihr lässt sich ablesen, dass die Außenpolitik eine verstärkte Metastase der verfassungsrechtlichen Unvollkommenheit darstellt. Diese greift sowohl das Staatsbudget, als auch das Ansehen des Staates und dessen Fähigkeit, sich effektiv in die internationale Gemeinschaft zum Wohle des Volkes einzubinden, an.

Die vorliegenden Analysen kommen zu einer Zeit ernsthafter politischer Unstimmigkeiten in BuH. Diese können auch öffentlich-rechtliche Folgen haben: Die beiden HDZ (Kroatische Politische Gemeinschaften) kündigen eine erneute Einberufung der „Kroatischen Versammlung“ (Sabor) sowie ein damit verbundenes außerinstitutionelles Kooptieren des kroatischen Ethnokorpus an. Es erinnert an das Chaos-Modell der „kroatischen Selbstverwaltung“ und an die kurz vor dem Krieg organisierten „serbischen autonomen Gebiete“. Die politische Spitze der Serbischen Republik (RS) sendet darüber hinaus die Botschaften aus, die die Absage der Loyalität an den Staatsinstitutionen, die Suspension des staatlichen Rechts und die Blockade der Staatsinstitutionen propagieren. Gleichzeitig wird hier die Institutionalisierung einer kroatischen Entität auf dem Geltungsgebiet der Verfassung von F-BuH befürwortet.

Das Zentrum für Öffentliches Recht möchte mit seinen Analysen die Aufmerksamkeit auf die Tatsache richten, dass die praktische Politik nicht im rechtsleeren Raum wirkt. Dies weist in BuH wiederum auf die Bedeutung der rechtlichen Grundlagen eines Staates hin, vor allem aber auf den Bedarf einer grundlegenden Reform des bosnischen Verfassungsrechts. Diese soll sich nach den ankerkannten Standards des Öffentlichen Rechts richten. Gerade unsere Analysen versuchen, und werden weiterhin darauf bestehen, die rechtlichen Standards als Maßstäbe für politische Handlungen zu etablieren. Dafür sprechen nicht zuletzt die Wertordnung der EU und das im Öffentlichen Recht verwirklichte Rechtsschutzniveau. Denn solche „Errungenschaften“ stehen weder den politischen Parteien, noch den politischen Eliten zur Verfügung und können nicht als Gegenstand politischer Verhandlungen und Vereinbarungen fungieren. Unsere Analysen möchten gerade dieses Ergebnis zum Ausdruck bringen, insbesondere aber die sachliche Abhängigkeit zwischen rechtlich gestaltetem Staate und gesellschaftlichem Wohlstand, zwischen Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftlichem und kulturellem Fortschritt hervorheben.

Die Lektüre dieser Ausgabe soll gerade diesem Ziel dienen.

Edin Šarčević

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