Nummer 18 der „Blätter für Öffentliches Recht“ zum downloaden
Wer immer noch glaubt, dass großstaatliche Bestrebungen, getragen von ethnischen Konflikten, ignoriert und vor der eigenen Haustür in der Hoffnung gelassen werden können, dass sich die Spannungen selbst regulieren, irrt sich gewaltig. Anstatt Schritte in Richtung einer neuen Organisationsstruktur in BuH zu setzen, haben die EU, die deutsche und die britische Politik auf die falsche Karte gesetzt: auf den angeblichen Reformwillen der lokalen Politiker, die das Land in die EU-Integration führen sollen.
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass gerade die politischen Strukturen die einzige und sicherste Bremse der Verfassungsreform, der Reform der öffentlichen Verwaltung und der Gerichtsorganisation dargestellt haben. Schließlich bringt jeder Eingriff in die Dayton-Struktur erhebliche Änderungen der politischen Strukturen mit sich. Die Kontrolle des Bruttosozialprodukt im Namen der konstitutiven Völker hat sich zu einem lukrativen politischen Gewerbe ent wickelt. Es wird nicht freiwillig aufgegeben und auch nicht im Namen der Ordnung, Verantwortung und geregelten Märkte, die EU-Integration mit sich bringt, abgelehnt.
Das KÖR hat vor genau vier Jahren vorhergesagt, dass es nicht zu einer Verfassungsreform kommen werde (Vehabović, Blätter für Öffentliches Recht 1-2/2010), weil die politischen Programme der Parteien der Parlamentarischen Versammlung von BuH auf die Beibehaltung des derzeitigen Modells hingewirkt haben. Auch heute sind die Dinge nicht besser. Sieht man sich die Wahlprogramme der Parteien an, die an die Macht gekommen sind, zeigt sich ein deprimierendes Bild. Die Forderungen für die Unabhängigkeit der RS, die Änderung der Zuständigkeit der Entitäten in der “Staatenunion von BuH” oder die Beibehaltung des ethnischen Stimmrechts um jeden Preis sind typisch für die Politik der RS. Sie ist durch eine völlige Ignoranz des Verfassungsrechts von BuH, der rechtlichen Standards oder der Entscheidungen des Verfassungsgerichts von BuH gekennzeichnet. Die Projektion einer dritten, kroatischen Entität oder einer neuen Regionalisierung, die die Ergebnisse der ethnischen Säuberung neutralisiert, kommt als eine angemessene Reaktion der Föderationspolitik. Alles in allem dominiert auch weiterhin die Auffassung, dass die verfassungsmäßige Ordnung reformiert gehört, jedoch ohne Reform der “ewigen Kategorie” der RS. Es besteht keine Notwendigkeit erneut an das in dieser Haltung kondensierte Übel zu erinnern, es muss aber dar auf hingewiesen werden, mit wie viel ignoranter Energie öffentlich-rechtliche Standards entkräftet und das geltende Verfassungsrecht verfälscht wird, um das beste hende politische Projekt zu erhalten.
Ist also nicht das deutsch-britische Bestreben, die BuH-Reformen an die Freiwilligkeit der lokalen Politiker zu knüpfen von vornherein zum Scheitern verurteilt? Fast zwei verlorene Jahrzehnte sind in der Geschichte der Menschheit ein nicht wahrnehmbarer Punkt, in der Bosnisch-Herzegowinischen jedoch ein unersetzlicher Verlust. Post-Dayton BuH steht in jedem Element freiwilliger rechtlicher Reformen im Zeichen unersetzlicher Verluste von Zeit und befindet sich auf dem Weg in die soziale Armut. Reformen sind nur als Ergebnis eines starken wirtschaftlichen und politischen Drucks von außen und als Ergebnis außerinstitutioneller Arbeit möglich. Ohne das Eine und das Andere wird das Land in den nächsten vier Jahren, im besten Fall, im Leerlauf bleiben.