Nummer 34 der „Blätter für Öffentliches Recht“ zum downloaden

“(...) Es ist offensichtlich, dass das kroatische Volk in einem Staat, der so eingerichtet ist wie BiH, zu diesem Zeitpunkt leider nicht wie die beiden anderen konstitutiven Völker den Luxus hat, frei an Wahlen teilnehmen zu können, ohne befürchten zu müssen, dass jemand anderes beziehungsweise zahlreiche Personen Vertreter für Positionen wählen, für welche die kroatische Legitimität erforderlich ist“ (HDZ 1990-Präsident, Ilija Cvitanović, Oslobođenje, 19. 11. 2018). Das Zitat wurde aus unzähligen analogen Anführungen zufällig ausgewählt. Es unterscheidet sich nur in der Reihenfolge der Wörter ähnlicher Aussagen von Politikern der kroatischen Rechten.

Ergänzt wird es durch Äußerungen zur Unitarisierung von BuH durch die Einführung des bürgerlichen Prinzips in das politische System des Landes und der Schlussfolgerung einer „nie schlechteren Position des kroatischen Volkes in Bosnien und Herzegowina, aufgrund der unrechtmäßigen Wahl eines Mitglieds des Staatspräsidiums von Bosnien und Herzegowina aus den Reihen der kroatischen Bevölkerung“. Die Botschaft lautet, dass bei den Wahlen Völker konkurrieren, dass es eine besondere Form der kroatischen Legitimation gebe, dass das kroatische Volk unterlegen sei, weil die Befürchtung bestehe, dass seine Vertreter durch „Andere, durch die Zahlreicheren“ gewählt werden würden, dass ein Mitglied des Staatspräsidiums aus den Reihen des kroatischen Volkes unrechtmäßig sei und schließlich, dass sich das kroatische Volk daher in einer besonders schlechten Position befinde.

Die verfassungsgesetzlichen Vorschriften bestreiten die an-geführten Aussagen am deutlichsten: Um politische Positionen bewerben sich nicht die Völker, sondern politische Parteien mit ihren Programmen. Die Wahlen für das Parlament und für die Mitgliedschaft im Staatspräsidium werden nach dem Prinzip „ein Bürger, eine Stimme“ abgewickelt, nur für das Haus der Völker werden Vertreter der Völker gewählt; die Mitglieder des Staatspräsidiums werden nicht als Vertreter von Völkern gewählt, sondern als Vertreter von Entitätswählern (Bürgern) - sie repräsentieren keine Völker, sondern das Staatssystem; das Wahlsystem beruht auf dem Grundsatz der prozeduralen Legitimation, sodass jede Wahl legitim ist, die gemäß den gesetzlichen Verfahrensvorschriften durchgeführt wurde.

Bei falschen Prämissen wird auch der Schluss falsch gezogen: Die Stellung eines Volkes wird nicht durch willkürliche Konstruktionen unzufriedener Politiker bestimmt, sondern durch die allgemeine Situation im Land, und die prozedurale Legitimation vermittelt nichts, was als „kroatische Legitimation“ bezeichnet werden könnte. Die Angst oder die schlechte Position der Kroaten ist daher nicht besser oder schlechter als die Position aller anderen. Dabei sollte man bedenken, dass die Sorge und Angst um „ihr Volk“ nicht die Erfindung der kroatischen Rechten ist. Sie wurde sowohl von der bosniakischen (z. B. ständige Sorge um „mein Volk“, Izetbegović) als auch der serbischen Rechten (z.B. die Tatsache, dass die kleinere Entität ausschließlich serbisches Staatssubstrat ist und dass das serbische Mitglied die Republik Serbien und das serbische Volk vertritt, Dodik) weitgehend ausgebeutet.

Das Zitat vom Anfang zeigt, dass die politische Rede in BuH von Tag zu Tag beharrlich und ohne Schranken die verfassungsrechtlichen Bestimmungen und die öffentlich-rechtlichen Standards verfälscht. Folgeberichte in den Medien bekommen die Merkmale einer Kampagne, die keinen Stützpunkt im Rechtssystem von BiH hat. In dieser Hinsicht folgt die politische Praxis der Logik eigener Konstrukte und etabliert Institutionen und Zuständigkeiten, die außerhalb des Verfassungsrechts liegen. Nur auf diese Weise kann die Frage der legitimen Vertreter des Volkes gestellt und, außerhalb des Verfassungsrechts, auf staatliche Organe erweitert, die nicht von den Völkern gewählt werden. In allem gibt es ein System: Mit der Verfälschung öffentlich-rechtlicher Bestimmungen werden ethno-kulturelle Bedürfnisse in die Funktion einer Herrschaft im Namen des Volkes gestellt. Sie widerlegt die bosnisch-herzegowinische Nation und trennt das gesamte Rechtssystem von der Sittlichkeit des Rechts. Unter konkreten Umständen zeigt sich dies an der Unmöglichkeit, politische Eliten für die offensichtlichsten Verstöße vor Gericht zu bringen. Folglich ist die Konstruktion der kroatischen Rechten über den „legitimen Kroaten“ ein hervorragender Leitfaden für die Nutzung des politischen Systems von BuH. Das Ideal ist die „Verantwortung gegen-über dem Volk“: es entzieht sich allerdings jeder Verantwortung. Hierbei dürfen die Grundsätze nicht verwechselt werden, damit die Energie der bürgerlichen Ordnung nicht befreit und genaue Prinzipien der Rechtsverantwortung von Politikern etabliert werden.

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