Nummer 14 der „Blätter für Öffentliches Recht“ zum downloaden
Ein großes Thema der bosnisch-herzegowinischen Reform des Gerichtswesens ist der strukturierte Dialog über die Justizreform. Diese Art von nicht-institutioneller Arbeit wurde als eine politische Reaktion der Europäischen Union auf die Ankündigung eines Referendums in der Republika Srpska (RS) eingeleitet. Vorangegangen ist ihr die Übernahme „der technischen Informationen, die die Europäischen Kommission fordert“, und die Aktivitäten wurden nach Juni 2011 in einem schriftlichen Dokument festgehalten, das auf 272 Textseiten die mehrheitlich relevanten Bereiche bestimmt. Der Dialog sollte über die Organisationsstruktur des Justizsystems, die verschiedenen Aspekte der Sicherstellung eines unabhängigen Verfahrens, die Erhöhung der gerichtlichen Effizienz, die justizielle Zusammenarbeit und ausgewählte Aspekte der Natur des Strafvollzugs (Untersuchungshaft und Strafhaft) geführt werden. Die Nachrichten der Europäischen Kommission für eine Erweiterung waren eindeutig: Das Ziel ist die Schaffung eines professionellen, unabhängigen und effizienten Justizwesens.
Was fällt in die Bilanz des strukturierten Dialoges nach sechs Sitzungen (die letzte in Banja Luka, 11.-12. November 2013)? Zunächst, die Implementierung der Tagesordnung aus November 2011 folgt nicht den ursprünglichen Themen des strukturierten Dialogs und kommt den Forderungen (eines de facto Ein-Parteien-Regimes) der Republika Srpska entgegen. Dann wird eine Plenarsitzungen-Methode aufrechterhalten, obwohl in Brüssel thematische Sitzungen vereinbart wurden. Die Gespräche über das Justizwesen sind zu Ritualen politischer Lösungsversuche zwischen der EU und den Politikern der RS geworden, und mit jeder weiteren Sitzung entfernen sie sich von den technischen und beruflichen Standards. Schließlich wurden die Sitzungen außerhalb der Öffentlichkeit vorbereitet und abgehalten, so dass eines der Ziele des Strukturdialogs – Bürger als Nutzer und Beteiligung des NGO-Sektors – vollkommen ausgespielt wurde. Bis zur letzten Sitzung in Banja Luka sind praktisch nur Fragen der Reform des Gerichtshofes von BiH und das Problem der Kriegsverbrechenverfahren in konstantem Fokus übrig geblieben. Beide Themen sind ein Schwachpunkt der politischen Klasse in den Entitäten, weil die Kontrolle der Verfahren und Beeinflussung der Entscheidungen dieses Gerichts außerhalb ihrer Reichweite geblieben ist. Fügt man dem noch hinzu, dass die letzte Sitzung das Urteil des EGMR (Maktouf/Damjanović) als Schwerpunkt hatte, bekommt man ein Bild des „Dialogs“, das auf der einen Seite eine Vielzahl an allgemeinen Proklamationen mit sich bringt, und auf der anderen Seite den Gegenstand der Diskussion auf Themen reduziert, die einer politischen Klasse zuträglich sind, vor allem aus der RS. Die Methode der Erpressung ist eine klassische Form des politischen Handelns der „serbischen Parteien“ und wurde bereits in der ersten Sitzung (Banja Luka, Juni 2011) angenommen und in der zweiten (Mostar, Juli 2012) als gültiger Teil des Verhandlungsverfahrens im Rahmen des strukturierten Dialogs bestätigt. In beiden Fällen verließ die Delegation der RS die Sitzung und kam nicht zurück, bis ihr das eine Mal die Abschaffung des Art. 7 des Gesetzes über den Gerichtshof von BiH und ein anderes Mal die Zuteilung deutlich höherer Mittel aus dem IPA-Fond für die Verfolgung von Kriegsverbrechen garantiert wurden.
Der strukturierte Dialog über die Reform des Justizwesens ist zu einer strukturierten Politik für die Zerstörung des bestehenden Modells der Gerichtsbarkeit geworden. Seit der ersten Ankündigung über die Stärkung der Justizinstitutionen im Hinblick auf finanzielle und politische Unabhängigkeit, Fachkompetenz, Unparteilichkeit und Professionalität ist eine leise Zersetzung der erreichten Ebene der institutionellen Autonomie der Gerichte übrig geblieben. So, als ob es ein grundlegendes Ziel wäre, die Kompetenzen des Gerichtshofes von BiH und der Staatsanwaltschaft zu schmälern.
Die Vertreter der EU haben sich beim strukturierten Dialog als inkompetente Mediatoren positioniert, die den Fokus der zentralen Probleme des bosnisch-herzegowinischen Gerichtswesens komplett verloren haben. Sie haben es zugelassen, dass fachliche Fragen wie politische Projekte erörtert werden, die außerhalb des öffentlichen Rechts oder allgemeiner rechtlicher Standards stehen. Die Vorbereitung jeder Sitzung und ihre Arbeit stehen außerhalb des Bereichs der Öffentlichkeit, gelegentlich werden relevante Informationen verborgen. Die Ergebnisse werden in den Formulierungen der EU als eine Reihe von Phrasen definiert, die weder angegriffen noch verteidigt werden können noch den Gegenstand angeben, um den es geht. Die zentralen Fragen sind in einem weiten Bogen umgangen worden: die Schaffung eines einheitlichen Rechtssystems und das Bearbeiten eines Modells der Normenhierarchie, die Einrichtung eines Obersten Gerichthofes, die Gewährleistung eines Systems für die Auswahl von ausgebildeten und kompetenten Richtern und Staatsanwälten, oder ein neues System der Finanzierung der Justiz als Ganzes. Der strukturierte Dialog ist heute ein teures Experiment, das mit einer unvorhersehbaren Dynamik fortgesetzt wird. Eine fachliche Reaktion darauf ist unerlässlich.