Nummer 19 der „Blätter für Öffentliches Recht“ zum downloaden
Gibt es irgendeine Ähnlichkeit zwischen der rechtlich-politischen Kampagne „Sutorina“ und der Durchsuchung der Räumlichkeiten von TV-101 in Sanski Most? Im Fall „Sutorina“ sind Juristen zur Revision der Staatsgrenze zu Montenegro eingeladen. Die Argumente sind rein historischer Natur und werden mit Empfehlungen für die Erhebung einer Klage vor dem internationalen Gerichtshof in Den Haag oder der Aufforderung, dass „das Volk den Staat wegen Hochverrats verklagt“ ergänzt. Im Fall von TV-101 hat die kantonale Inspektion des Kantons Una-Sana wegen eines Streits über die Gültigkeit eines Ver-trages für die Anmietung eines ganzen Gebäudes (nur) jenen Raum versiegelt, in dem sich die technische und die Studio-Ausrüstung befinden. Die Funktion aller anderen Räumlichkeiten wurde nicht beeinträchtigt, darunter die eines Cafés, in dessen Geschäftstätigkeit eine Reihe von Verstößen festgestellt wurde.
Beide Fälle haben nichts gemeinsam? Nur auf den ersten Blick! Gemeinsam ist ihnen die Herangehensweise an das Problem, so etwas wie eine methodische Konstruktion: die Fakten werden nach politischen und ideologischen Bedürfnissen destilliert. Aus ihnen werden die Elemente zur Verteidigung der eigenen ideologischen und politischen Haltung genommen. Sodann wird das Material sehr selektiv verwendet. Im Fall von „Sutorina“ werden die Bedingungen unter welchen die Unabhängigkeit von Bosnien und Herzegowina anerkannt wurde, völlig missachtet. Ignoriert wird die Tatsache, dass die Republik-grenzen nach der Verfassung von 1974 zu Staatsgrenzen geworden sind. Nur unter diesen Bedingungen konnte und kann sich BiH auf die territoriale Integrität berufen. Im Fall von TV-101 waren die Veröffentlichung einer Reihe von Artikeln über die illegale Arbeit des Bürgermeisters und SDA-Abgeordneten und die Unfähigkeit und Faulheit der regionalen Staatsanwaltschaft in Sanski Most entscheidend. In beiden Fällen gibt es sicherlich geheime Motive, über die wir nur spekulieren können. Dennoch können wir nicht über die selektive Anwendung der relevanten Fakten und deren Missbrauch spekulieren. Denn beide Fälle zeigen wie sorgfältig ausgewählte Fakten in eine verallgemeinerte Haltung oder die Grundlage für die Lösung eines rechtlichen Falles übersetzt werden.
Am interessantesten ist die Frage nach den wahren Ur-sachen des selektiven Ansatzes. Ohne Schwierigkeiten könnte gezeigt werden, dass die Gründe in der Tat poli-tisch-ideologische Bedürfnisse genau identifizierbarer so zialer Gruppen, Personen oder Institutionen sind. Die vorliegenden Beispiele zeigen jedoch, dass sich kein Jurist auf das Abenteuer grober Verfälschungen der Tatsachen einlassen würde, ohne sichere institutionelle und öffentliche Unterstützung zu haben. Beides deutet Dilet-tantismus als tragenden Grundsatz der rechtlichen Arbeit an, sowohl in der Anwendung des Gesetzes als auch in der Vorlage von Gutachten.
In diesem Zusammenhang ist es nützlich, an die Wahl des Präsidenten des HJPC sowie an die Ergebnisse der Arbeit der Staatsanwaltschaft BiH zu erinnern. Ein Selbstregulierungskörper wie der HJPC hat sich als seinen Präsidenten mit einfacher Mehrheit von einer Stimme statt einem erfahrenen und professionellen Juristen eines obersten Gerichts, einem Juristen mit perfekter Biographie, einen unerfahrenen Juristen eines erstinstanzlichen Gerichts mit sehr bescheidenen berufliche Referenzen ausgewählt. Erklärt sich eine solche Wahl nicht gerade aus dem System selbst, das die Kriterien der Inkompetenz unterstützt und sie als Hebel zur Selbsterhaltung und Vermehrung des Gesamtsystems verwendet? Auf die gleiche Weise sollten auch die Selbstwerbeauftritte des Chefanklägers von BiH, eine Reihe von internen Verboten und die geschmacklosen Medieninformationen über den General-Staatsanwalt verstanden werden, die unprofessionelle Anklagen und geschönte Statistiken zu verschleiern versuchen. Wenn dieser Stil nicht im Dienst der Begünstigung von Oberflächlichkeit, Inkompetenz, kurz gesagt der Einführung von Dilettantismus als tragendes Prinzip der juristischen Arbeit steht, ist er sicher nicht in der Lage, Fachkompetenz als grundlegendes Kriterium des gesamten Systems zu etablieren.
Ich denke, dass der Fall „Sutorina“, TV-101 , die Wahl des HJPC-Präsidenten und die Arbeit der Staatsanwaltschaft nur eine Folge des bosnisch-herzegowinischen Rechtssystems und ihrer grundlegenden Prämisse sind: der ethnischen Zugehörigkeit. Es suspendiert alle konkurrierenden Kriterien und füttert durch die quotierenden „konstituierenden Völker“ die Rechtsordnung mit Dilettanten. Nur in einem solchen System kann die „professionelle“ Einstellung entstehen, dass „das Volk den Staat wegen Hochverrats klagt“ oder die Behauptung, dass der Beschuldigte sein Opfer „gegen ihren Willen“ vergewaltigt hat! Das System der Auswahl, der Arbeit und der Bewertung von Richtern und Staatsanwälten, das System der Ernennung von Experten und Analysten wird keine Veränderung „von innen“ erfahren, da seine Träger sich hüten werden, ihre eigenen Privilegien und Vorteile zu beseitigen. Die Lösung ist, ebenso wie für die Reform der gesamten Verfassungsordnung, die nicht-insti tutionelle Arbeit der lokalen und ausländischen Experten, NGOs, religiösen Gemeinschaften und gewählten Politiker. Erneut empfehle ich für die Änderungen der bestehenden rechtlichen und politischen Konstellationen, das Konventmodell als eine tragende Kraft, als eine Art der kollektiven Vernunft der Gemeinschaft zu etablieren.